29.01.2024
Kategorien:- Demenz
Hanna Fiedler - liebevolle Gedanken unserer Vizepräsidentin zum Thema Demenz
Vor einigen Wochen hat mir eine junge Frau eine nette Anekdote erzählt. Sie erzählte, wie es war, als die Diagnose Demenz langsam festzustellen war. Weißt du, seit der Diagnose - also im Nachhinein - ist mir einiges aufgefallen. Immer wieder frage ich mich, ob ich früher etwas hätte bemerken müssen. Ich denke immer wieder daran, wie ich den Weg erlebt habe, den wir dann gemeinsam gegangen sind. Es war ein sehr holpriger Weg.
Als nämlich meiner Mutter zum ersten Mal der Name meines Bruders nicht eingefallen ist und sie immer nur "du", oder sogar "du, da drüben" gesagt hat, haben wir das auf ihre Müdigkeit geschoben, die seit ihrer Virusinfektion - ein Monat vorher - noch immer vorhanden war. Zwei weitere Monate später war sie immer noch rasch müde, aber von Nachwirkungen der Krankheit war sonst nichts nachzuweisen. Als ich aber bei einem Besuch bei ihr die Brille im Kühlschrank, schön verstaut in der Butterdose, fand und die Milchpackung auf der eingeschalteten Herdplatte dahingeschmolzen ist, war für mich klar, dass da irgendetwas nicht stimmen konnte.
Ein wenig vergessen, das passiert uns allen einmal und mit fast 80 Jahren darf das auch sein.
Als aber dann die Diagnose "Alzheimerdemenz" gestellt wurde, da war das wie ein Nackenschlag für mich. Viele angstmachende Bilder schlichen sich in mein Gehirn - und gleichzeitig hat bei meiner Mutter eine wohlbekannte Taktik eingesetzt. Eine, die wir alle schon lange von ihr kannten.
"Was nicht sein darf, ist nicht!" war einer ihrer Wahlsprüche. Also hat Mutti beschlossen, wir spinnen alle, sie aber ist gesund.
Für uns aber war es irgendwie seltsam und schlimm und spannend und heiter. Eine seltsame Mischung der Gefühle, die sich da boten.
Einerseits war Mama für uns immer eine so starke, selbstbewusste und zielstrebige Frau, die uns aufgezogen, den Haushalt und den Betrieb geschmissen hatte (nach dem Tod unseres Vaters) und die immer wusste, was als Nächstes zu geschehen hatte.
Und jetzt erzählte sie von ihrem Tagesablauf in der Schule, wobei sie überzeugt war, dass sie HEUTE dort war.- Sie hat von der Lehrerin erzählt und mir ihre Jugendgeheimnisse „anvertraut",
sie war ja überzeugt, dass ich ihre beste Freundin von damals wäre. Sie nannte mich auch so, "Judith" hieß ich ab da die meiste Zeit meiner Besuche.
Auch ihre lustigen Reime, die sie sich ausgedacht und die sie nun ohne gesellschaftliche Hemmung vor sich hingesagt hat, konnten amüsieren.
"An der Kassa soll sie sitzen, doch lieber quatscht die alte Kuh.
Ich sag' hallo, zahlen bitte, aber die besteht auf ihre Ruh."
Den Spruch hat sie eines Tages lautstark durch den Supermarkt gerufen, weil es ihr zu langsam vorgekommen ist, bis die Kassenkraft gekommen war.
Im ersten Moment war es wirklich peinlich, aber schon zu Hause, als ich die Szene meinen Geschwistern erzählte, lachten wir aus vollem Herzen.
Aber es gab auch Tage, da war es, als versinke ihre Persönlichkeit in einem dichten Nebel. Einmal habe ich Mutter im Garten gefunden. Da saß sie neben dem Rosenstrauch am Boden und sah sehr glücklich aus. Wie das zusammenpasste, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar. Auch, dass sie behauptete, sie würde da auf den Bus warten, weil sie nach dem Einkaufen nun schnell nach Hause will. Hat mich traurig, sie aber zufrieden sein lassen.
Manchmal frag' ich mich: "Bin ich auf die Zufriedenheit mit diesen kleinen Dingen vielleicht ein wenig neidisch?"
Die schönen Dinge im Moment genießen und die schlechten Dinge gleich wieder zu vergessen und nicht in die nächsten Stunden und Tage mitzunehmen, das ist manchmal doch auch ein Segen - oder?
Telefon: 0650/3238138
E-Mail: hanna.fiedler@ig-pflege.at